Berichte über „Sex & Crime“ haben die Menschen schon immer fasziniert. Tatsächlich scheint die Freude am Gruseln den Menschen angeboren zu sein. Es verwundert daher kaum, dass Geschichten über grauenhafte Missgeburten bei früheren Zeitgenossen besonders beliebt waren. Schliesslich ging es in ihnen um böse Menschen, die Unzucht treiben und deswegen mit dem Tod bestraft werden.
Kapitel: Religion: Sodomie und Unheilboten – Recht: Angst vor Eigentumsschädigung – Politische Propaganda
Religion: Sodomie und Unheilboten
Es gibt Menschen, die tierähnliche Missgestalten zur Welt bringen. Es gibt aber auch Tiere, die grausige Wesen mit menschlichen Anteilen gebären. Sie wurden im 16. Jahrhundert als Boten des Unheils und Rächer sündhafter Völker gedeutet. Gott straft schliesslich nicht nur die Sünder, er beurteilt auch die Gemeinschaft, die das Böse in ihrer Mitte duldet, als unchristlich und damit als zerstörungswert.
Menschenähnliche Missgeburten entstanden der damaligen Anschauung nach durch den Sexualakt zwischen bösen Menschen und Tieren. Die Überzeugung, dass aus einem solchen widernatürlichen Umgang Monster hervorgehen, war fest im Volksbewusstsein verankert. In vielen vorchristlichen Sagen und Märchen verschiedenster Völker wird immer wieder von ihnen berichtet. Manche wurden sogar als Götter verehrt.
Für die katholischen Kirchenväter waren die tierischen Missgeburten eindeutig ein Produkt des Bösen. Es stiftete ihrer Meinung nach den Menschen überhaupt erst zur Sodomie an, das heisst zu unnatürlichen Sexualpraktiken. Um das Vergehen der sogenannten Sodomiten beurteilen zu können, berief man sich natürlich auf die Heilige Schrift. Von besonderer Bedeutung waren die Bibelverse im 3. Buch Moses (18; 23 sowie 20; 15 und 16).
Die Theologen haben sich vor allem deshalb mit dem Thema Sex beschäftigt und angsterzeugende Verbote aufgestellt, da Enthaltsamkeit und Monogamie wichtige Eckpfeiler der katholischen Lehre darstellen. Der kirchlichen Lehrmeinung nach waren sexuelle Kontakte nur dann erlaubt und ohne Sünde, wenn sie innerhalb der Ehe vollzogen wurden und der Erzeugung von Nachkommen dienten. Natürlich schürte diese Lehrmeinung bei einem Grossteil der Christen nicht nur die Angst vor Verdammnis und Hölle, sondern liess auch Schuld- und Schamgefühle aufkommen.
Das Ehegelübde zu brechen, galt als schweres religiöses Vergehen. Die Sodomievorstellung war jedoch nicht nur vom Gedanken der ehelichen Untreue geprägt. Die Vergeudung des männlichen Spermas durch den tierischen oder homosexuellen Geschlechtsverkehr aber auch durch die Onanie spielte dabei ebenfalls eine Rolle. Auf diesen Samen hatte es der Teufel der damaligen Anschauung nach nämlich abgesehen. Nur mit ihm war es ihm schliesslich möglich, sich in Gestalt des Incubus (Teufel in Manngestalt) oder Succubus (Teufel in Frauengestalt) fortpflanzen und selbst böse Monsterwesen zeugen zu können.
„Verkehrt jemand mit einem Stück Vieh, so soll er des Todes sterben, und auch das Tier sollt ihr töten.“
Altes Testament (Leviticus), 3. Moses, 20, 15
Recht: Angst vor Eigentumsschädigung
Die Rechtswissenschaftler behandelten den widernatürlichen Akt zwischen Mensch und Tier unter dem Begriff Bestialität. Der bedeutende Jurist Benedict Carpzov (1595-1666) wertete Sexualpraktiken mit Tieren als besonders verabscheuungswürdiges Delikt. Er schrieb in einer seiner Abhandlungen (Quaestio): „Es ist in der Tat gegen die Natur, dass der Samen und das Blut eines Menschen mit dem Blut des Tieres zusammenfliessen und gemischt werden, was sicherlich grössten Schrecken erregt.“
Während der Frühen Neuzeit zählten die Bestialitätsvergehen zu den häufigsten Anklagepunkten überhaupt und endeten auch bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen sehr oft mit einer Hinrichtung. Zwar wurden fast ausschliesslich Männer und Knaben wegen sexueller Übergriffe auf Tiere verurteilt und dem Todesurteil unterworfen. Dass sich der Anschauung nach aber auch Frauen an ihnen sexuell vergingen, lässt sich den religiösen und rechtlichen Gesetzen der damaligen Zeit entnehmen.
Das Bestialitätsdelikt zählte zu denjenigen Straftaten, die sowohl kirchliche als auch weltliche Behörden ahndeten (Crimen mixti fori). Die zweifache Anklage basierte auf der Vorstellung, dass der/die Angeklagte einerseits vor ein geistliches Gericht gehöre, da dem Glauben gefrevelt wurde, und andererseits vor ein weltliches, da ein Vergehen an Mensch und Eigentum vorlag. Im Gegensatz zu den Kirchenvertretern, die mit ihren Verboten ihren eigenen Herrschaftsstatus durchsetzen wollten, interessierten sich die Rechtsgelehrten jedoch kaum für den unchristlichen Zeugungsvorgang.
Die Angst vor einer Eigentumsschädigung durch den Missbrauch von Tieren war nämlich besonders gross. Er konnte schliesslich die Lebensgrundlage ganzer Familien zerstören, musste das geschändete Tier doch von Rechtswegen getötet werden. Für viele Bauern, Hirten oder Viehhändler ein absoluter Albtraum, da die Eigentümer für gewöhnlich keine Entschädigung erhielten. Das Treiben der Sodomiten konnte also für sie und ihre Angehörigen im wahrsten Sinne des Wortes den absehbaren Hungertod bedeuten. Für die Juristen hingegen waren solche Fälle besonders profitabel. Sie verdienten mit ihnen nicht nur leichtes Geld, sie brachten ihnen auch Prestige ein, setzten sie doch die göttlichen Gebote durch.
„Sollte ein Mensch mit einem Vieh, ein Mann mit einem Mann, ein Weib mit einem Weib, Unkeuschheit treiben, so haben sie ihr Leben verwirkt, und man soll sie dem Gewohnheitsrecht entsprechend mit dem Feuertod richten.“
Halsgerichtsordnung Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina) von 1533, Artikel 116
Politische Propaganda
Mit der Angst einher geht nicht selten die Faszination. Der Glaube, dass einzelne Menschen sich an Tieren sexuell vergehen, basierte aber nicht auf einer faszinierenden Vorstellung, sondern auf der Erfahrung mit solchen Leuten. Immer wieder wussten sie ihre Mitmenschen zu schockieren, aber auch die Angst vor Gotteszorn, vor dem eigenen sündigen Verhalten, vor dem Hungertod und der Todesstrafe zu schüren.
Die Überzeugung, dass aus solchen widernatürlichen Praktiken Untiere hervorgehen können, entsprang zwar der Phantasie. Die Vorstellung selbst gründete jedoch auf einer nachvollziehbaren Logik. Letztlich hat man einfach „1 + 1“ zusammengezählt. Wenn gewisse Menschen mit Tieren sexuell verkehren, mussten die Missgeburten zwangsläufig das Produkt aus einer solchen Vereinigung sein. Dass jedoch vor allem unter den einfachen Leuten die Angst vor ihnen gross war, zeigt sich vor allem an der Volksliteratur. Denn sie ist es auch, welche die allermeisten Geschichten über die furchterregenden Mischwesen überliefert hat.
Die Gelehrten hingegen haben sich dem Thema eher zögerlich angenähert. Die Frage, auf welche Art und Weise diese tierischen Missgeburten gezeugt werden, haben sie in ihren Schriften nie wirklich ausführlich behandelt, sondern immer nur angedeutet. Vermutlich hatten sie Angst davor, in Erklärungsnot zu geraten. Ihr besonderes Interesse an den grauenerregenden Missgeburten war in erster Linie politischer Natur, da sie ihr Aufkommen als göttliches Zeichen interpretierten und mit ihrer Hilfe die Herrschaft der Kirche über die Christenheit legitimierten. Kein Wundern, haben sie ihr Auftreten für propagandistische Zwecke genutzt, um die Gläubigen in Angst und Schrecken zu versetzen.
Von den Katholiken wie auch von den Protestanten wurde auch das in Sachsen geborene „Mönchskalb“ (16. Jahrhundert) für gegenseitige Vorwürfe missbraucht. Es hatte angeblich die Beine eines Ochsen und vier Augen. Sein Maul und die Nase waren die eines Kalbes. Ein Stück Fleisch auf seinem Kopf ähnelte der Tonsur der Priester und hing am Rücken herunter wie die Kapuze eines Mönchs. Es diente vor allem den Reformatoren als Propagandamittel. Sie bewerteten es als Beweis dafür, dass die katholischen Geistlichen einen Hang zur Unzucht haben und nur der protestantische Glaube die Christenheit wieder auf den richtigen Weg führen und Gottes Zorn abwenden könne.
„Ihr sollt wissen, daβ in Württemberg in einem Kloster ein Pferd zwei Kälblein zur Welt brachte. In allen Teilen sind sie wie andere Kinder gestaltet, auβer daβ sie auf dem Rücken behaart sind wie das Pferd. Daraufhin entwichen einige aus dem Kloster, die man verdächtigte, sie hätten mit dem Pferd unnatürliche Dinge getrieben.“
Johann Jakob Wick (1522-1588),
Der Zeugungsvorgang der furchterregenden Missgeburten, die Unheil prophezeien und als Rächer Gottes auftreten, wurde zwar nicht näher untersucht. Wie Dämonen, Teufel und Hexen mit Menschen den Geschlechtsverkehr vollziehen, studierten die Geistlichen dagegen sehr genau. Den sexuellen Verkehr zwischen Teufel und Mensch beurteilten sie schliesslich ebenfalls als sodomitischen Akt, da der Höllenfürst dem Glauben nach gleichfalls tierische Merkmale aufweist. Die Angst vor den Missgeburten spielte daher auch in den Hexenprozessen eine sehr bedeutende Rolle. Die Teufelsbuhlschaft – der Geschlechtsverkehr von Hexe und Teufel – wird in den Gerichtsakten besonders häufig erwähnt. Sie stellte ein fester Bestandteil des Hexendelikts dar und nährte den Glauben an die Teufels- und Hexenkinder.
Literatur: Guggenbühl, Dietegen: Mit Tieren und Teufeln. Sodomiten und Hexen unter Basler Jurisdiktion in Stadt und Land 1399 bis 1799, Liestal 2002; Hoffmann-Krayer, Eduard (Hg.): Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, Bd. III., Berlin/Leipzig 1930/31 und Bd. IV. Berlin und Leipzig 1931/1932; Hehenberger, Susanne: Unkeusch wider die Natur. Sodomieprozesse im frühneuzeitlichen Österreich, Wien 2006; Lang, Dominik: Sodomie und Strafrecht: Geschichte der Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren, Frankfurt a.M. 2009; Radbruch, Gustav (Hg.): Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina), Aufl. 4, Stuttgart 1975; Senn, Matthias (Hg.): Die Wickiana. Johann Jakob Wicks Nachrichtensammlung aus dem 16. Jahrhundert. Texte und Bilder zu den Jahren 1560-1571, Küsnacht-Zürich 1975; Zürcher, Meret: die Behandlung jugendlicher Delinquenten im alten Zürich (1400-1798), Winterthur 1960.
Zitat: Dietegen Guggenbühl: Mit Tieren und Teufeln. Sodomiten und Hexen unter Basler Jurisdiktion in Stadt und Land 1399 bis 1799, Liestal 2002.
Bildernachweis: Titelbild, Abb. 1-3) Die Wickiana. Johann Jakob Wicks Nachrichtensammlung aus dem 16. Jahrhundert. Texte und Bilder zu den Jahren 1560-1571, hg. v. Matthias Senn, Küsnacht-Zürich 1975.